Es ist schon manches über Bier geschrieben worden. Von den Schankstuben jedoch, in
denen es ausgegeben wurde, ist wenig bekannt. Es gibt in Berlin nur noch wenige Lokalitäten, die das Auf und Ab dieser Stadt in
mehreren Jahrhunderten miterlebt haben und einst das Bild Berlins prägten bzw. deren Vororte. Berlin kann kein "Wirtshaus im Spessart" und keine "Lindenwirtin" bieten, wohl aber kann der einstige
Vorort Berlins -Rudow- mit dem Lokal "Zum alten Krug" aufwarten.
Dieses Lokal, auch Dorfkrug genannt, ist eines der letzten Baudenkmäler Rudows. Kaum ein Rudower, der dort noch nicht sein Bier getrunken oder "gut bürgerlich" gegessen hätte. Dieses
ausgesprochen gemütliche Lokal liegt in der Straße Alt-Rudow Ecke Köpenicker Straße.
Erstmalig erwähnt, aber ohne Standortangabe, wird dieses historische Lokal im Jahre 1372 in einem Landbuch. Hierin wird unter anderem erwähnt, daß die Pacht des Kruges zehn Schillinge beträgt,
abzuführen an Dusiken.
Vermutlich ist der Krug noch älter als die Dorfkirche. Er wird einst Kern Rudows gewesen sein, woran sich dann wohl in einer planmäßigen Kolonisation das Dorf Rudow angeschlossen hat.
Viele Wege führten nach Rudow. Der "Alte Krug" war beispielsweise Haltestelle für alle Reisenden, die über Königswusterhausen nach Schlesien reisen wollten. Die Köpenicker Straße, die vom Osten
über Köpenick durch die Sümpfe nach Rudow und von dort über den Teltow in den Westen weiterführte, bot zu damaliger Zeit den Kaufleuten wenig Sicherheit. Die als Wegelagerer auftretenden
Raubritter machten den fahrenden Kaufleuten das Leben zur Hölle. Wie ein arabischer Händler berichtete, ließ man die Reisenden auf die Knüppeldämme der Sümpfe um Köpenick einfahren, nahm dann die
Hölzer vor und hinter den Pferdefuhrwerken weg und plünderte die festsitzenden Kaufleute in aller Seelenruhe aus.
Wie froh wird man da gewesen sein, wenn nach überstandenen Gefahren im Krug Quartier gemacht werden konnte. Nach alter Sitte wurden zunächst die Pferde ausgespannt und versorgt, ehe man sich dem
Bier zuwandte und regen Tauschhandel betrieb.
Viel "Prominenz" verkehrte im "Alten Krug". Friedrich II. hatte seine eigenen Pferde hier stehen und weilte als Gast in dem kleinen Haus, wenn er auf dem Ritt zum Jagdschloß Königswusterhausen
war.
Auch der Kirchenlieddichter Paul Gerhardt übernachtete hier auf hartem Lager. Ist in diesem historischen Gemäuer vielleicht ein Kirchenlied zu Papier gebracht worden? Zumindest eines ist in Rudow
entstanden: In der Rudower Mühle entstand der Choral "Befiehl du deine Wege".
Nicht zuletzt kehrten Reiter und Kutscher der Berliner Post in dem alten Haus ein, um nach kurzer Rast weiterzupreschen.
Am Sonntag, dem 15. Dezember 1799, wurde die vorweihnachtliche Stille jäh im friedlichen Dorf unterbrochen, als das Geläut der Sturmglocke Feuer verkündete. Viele Gebäude brannten ab, begünstigt
durch einen heftigen Ostwind und trockene Kälte.
Auch der "Alte Krug" wurde nicht verschont, er brannte bis auf die Grundmauern ab. 1802 wurde er wieder für 2263,23 Taler, darunter ein Zuschuß von 90 Talern seitens der Kreiskasse, von Christian
Mette aufgebaut.
Nach dem Separations-Rezeß im Juni 1850 besaß das Kruggut 208,77 Morgen, davon waren 169,3 Morgen Acker, 72,176 Morgen Wiese, Hütung 23,67 Morgen und Wege 3,11 Morgen.
Das also war die Geschichte des Kruges, der seit seinem Wiederaufbau im Jahre 1802 nur zur wenige Änderungen erfahren hat.
Die Änderungen bestanden im wesentlichen in dem Ausbau eines Ladens (heute Fotogeschäft) und in der Bebauung des angrenzenden Biergartens. Letzteres ist ganz besonders zu bedauern.
Fritz Grötchen wurde am 13.7.1889 geboren. Er führte den Dorfkrug von 1926 bis 1937.
Herr Grötchen war eigentlich mehr unter seinen Spitznamen "Der grobe Gottlieb" bekannt. Von seinen Gästen wurde er auch nur liebevoll "Grober" genannt. Viele Anekdoten machen in Rudow immer noch
die Runde, obwohl er schon seit dem 6.6.1937 tot ist. Eine kleine Kostprobe: "Grober, drei Bier!" "Nee, ich steh’ jetzt nicht auf, hier haste ’ne Mark, geh nach Schütze (Lokal "Alt-Rudow 71") und
hole drei Bier." Das Bier von der Konkurrenz wurde dann im eigenen Lokal getrunken.
Diese grobe, rustikale Art brachte ihm dann seinen Spitznamen ein. Es gehörte zu seinem Flair und hatte für das Lokal "Zum alten Krug" einen nicht zu unterschätzenden Werbeeffekt, der diesem Wirt
nicht nur viele Gäste aus Rudow und nähere Umgebung einbrachte, sondern auch Persönlichkeiten aus ganz Berlin.
Besitzverhältnisse des Kruges: 2018 - Sarah- Alexandra Emek
Aus
"Rudower Geschichte und Geschichten" |